Intuition: Wenn die innere Stimme mitspricht

Dieser Blog-Beitrag ist ein Interview, indem ich zu Gast bei Anja Rödel von selbst-bewusst-essen bin. Anja und ich sind uns rein zufällig über die Sozialen Medien begegnet.

Sie ist Ernährungsberaterin und Tänzerin. Mir gefiel ihr Ansatz und ihre Haltung zum Thema Ernährung, Lebensmittel-Vermarktung und Körperlichkeit.

 

Wir sprechen über innere Dialoge, laute und leise Stimmen, Werte wie Intuition und MitGefühl sowie darüber, wie ich mehr in mich und das Leben vertrauen lernte?

 

Letztlich treffen sich unsere beiden Themen ganz konkret bei der Frage: Was nährt mich wirklich?

 

Das Interview darf ich auch für meinen Blog verwenden. Um einen angenehmen Lesefluss zu gewährleisten, ist das transkribierte Gespräch teilweise umformuliert und gekürzt. Dabei habe ich mich stark am Original orientiert. Das vollständige Interview kannst du hier anschauen.

Inhalt

1. Wahres Mitgefühl verbindet

A: Hey, schön, dass du rein schaust in einen neuen Talk hier bei selbstbewusst essen. Ich bin Anja Rödel und habe heute wieder eine wundervolle Frau im Interview. Ich freue mich total, dass sie meine Einladung angenommen hat und sag: „Ganz herzlich willkommen, liebe Daniela Schürmann.“

 

D: Hallo Anja, danke, für die Einladung.

 

A: So schön, dass du hier bist. Ich freue mich total. Daniela und ich, wir sind uns so begegnet über unsere Arbeit. Wir haben uns im Berufs-Kontext auch kennengelernt und haben festgestellt, dass wir in die gleiche Richtung arbeiten, bei uns beiden geht es um Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Weiblichkeit und noch so ein paar Themen drum rum.

Aber wir haben so ein bisschen unterschiedliche Ansätze, damit zu arbeiten und die Frauen zu begleiten. Das fand ich ganz spannend und wir haben schon festgestellt, dass wir ja vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen können. Deswegen werden wir uns bemühen, das Interview ziemlich zielgerichtet auch zu machen. Ein bisschen zumindest. Liebe Daniela, bitte stell dich doch einfach mal vor. Wer bist du neben deinem Namen? Was machst du so? Was ist dein Passion? Dein Thema?

 

D: Ja, ich bin zertifiziert in Gestalttherapie und Begleiterin für Bindungs- & EntwicklungsTrauma. Und wenn ich in einem Satz formulieren sollte, was ich mache... Ich begleite empathische Menschen, sich mit sich selbst zu verbinden, damit sie MitGefühl mit sich selbst und anderen leben können. Das heißt, dass sie ihre Beziehung zu sich selbst und anderen friedvoller gestalten.

 

A: Da taucht ein wunderschönes Wort auf, nämlich das Wort "MitGefühl". Das kann man ja auch in verschiedenen Varianten lesen, dieses Wort. Geht dir das auch so? Dieses entweder "mit Gefühl", also Gefühle überhaupt zulassen oder dann eben das "Mitgefühl", einmal für sich selbst und für andere. Bin ich da so ein bisschen richtig?

 

D: Ja. MitGefühl, schreibe ich gerne am Anfang groß und das „-G-„ eben auch noch mal groß, damit diese unterschiedlichen Möglichkeiten so schnell wie möglich erfasst werden können. Die Idee ist eigentlich entstanden, als ich mich auf den Weg gemacht habe, mich mehr mir selbst zuzuwenden, nach innen zu gehen und gespürt habe, dass wenn ich mich mit den Gefühlen, die in mir so auftauchen, auseinandersetze, die nächsten Themen hochkommen.

Und irgendwann habe ich dann begriffen, dass wenn ich Mitgefühl mit mir selbst lebe, dann wird meine Beziehung zu mir selbst friedlicher, weil ich mich einfach mehr annehmen kann mit meiner Geschichte und auch den Seiten, die vielleicht schwieriger sind oder auch Muster. Und gleichzeitig ist mir aufgefallen, dass ich auch viel mehr bei anderen Menschen mitfühlend sein kann, weil mir klar geworden ist, ah, okay, natürlich haben auch andere Menschen eine Geschichte und Persönlichkeit und ihre Muster. Das hat dazu beigetragen, dass ich insgesamt nicht mehr so wertend unterwegs war und bin.

2. Selbstabwertung: Innere Kritiker - facettenreich & anpassungsfähig

A: Spannend. Das ist ja auch so was, wo ich liebend gerne hin arbeite, nicht mehr zu bewerten und am besten, mit sich selbst anzufangen. Diese Abwertungen und diese bösen Bewertungen gegen sich selbst aufzugeben. Und es wirkt sich dann natürlich auch auf die Mitmenschen aus. Gerade in meinem Thema ist natürlich alles, was Körperlichkeit betrifft, oft verbunden bei den Frauen mit Selbstabwertung. Und da dann hinzugucken und es eben nicht mehr zuzulassen oder zumindest zu bemerken: „Oh, jetzt habe ich mir aber mal wieder selbst eine reingehauen.“

 

D: Genau, also das...

 

A: Und das wenigstens zu merken und dann so langsam dagegen anzugehen. Das geht nicht auf Knopfdruck und man kann es nicht gleich abschalten, aber siehst du das auch so?

 

D: Ja. Also, ich glaube, diese Idee, nichts mehr zu bewerten, die gibt es für mich nicht, weil ich einfach immer wieder beobachte, auch bei Menschen, die lange meditieren, die sehr spirituell unterwegs sind. Ich glaube, unser Kopf ist dafür gemacht, zu bewerten und es hat ja auch einen Grund.

 

A: Natürlich.

 

D: Den Nachsatz, den du erwähnt hast, den möchte ich gerne hervorheben. Wenn ich bemerke, dass ich

jemand bin, der viel bewertet, ob das nun mich selber, meine Person betrifft oder Dinge im Außen, dann kann ich eben gucken: "Ah okay, jetzt greift wieder der bewertende Teil in mir zu.". Die nenne ich unsere

inneren Kritiker. Der innere Kritiker hat ganz viele Facetten, also vom Richter über den Skeptiker, über den Manipulierer, über das Opfer, das auch ganz, ganz manipulierend sein kann. Und alle Formen, die ich jetzt in der männlichen Form genannt habe, kann man auch in der weiblichen Form nennen. Also, Kritikerin.

 

A: Definitiv.

 

D: Diese Anteile in uns, die sind so facettenreich und das ist ganz spannend, wenn ich praktisch mit einer Herz-Sache in die Welt gehe, mit einem Bedürfnis, mit einem Projekt, was ich in die Welt bringen möchte, also mit einem Anteil, der expansiv nach außen ist, der wirklich was Gutes bewirken möchte, z.B. eine Familie gründen oder umziehen oder, oder, das ist ganz unterschiedlich, dann taucht der ja besonders auf, dieser Anteil. Das fiese ist, dass der sich auch anpassen kann. Der kann sich nämlich deinem Bedürfnis anpassen und das macht es so schwer, ihn zu greifen.

 

A: Und das ist, glaube ich, aber der wichtige Punkt, es erst mal zu sehen und wahrzunehmen, dass es da ist. Es darf da sein, wunderbar. Diese ganzen inneren Anteile, sie dürfen da sein, aber wir dürfen sie eben auch wahrnehmen und erst mal bemerken und kontrollieren lassen. Da trifft dann wieder der Spruch zu:“ Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“

 

D: Genau. Und das waren jetzt nur die inneren Kritiker Anteile. Da sind ja auch noch ganz viele andere Anteile in uns. Das macht es so spannend, diese Aspekte in sich zu erforschen und auch manchmal zu spüren, dass ich in dem Spannungsfeld dieser inneren Stimmen stehe. Zum Beispiel, wenn ich eine Mutter bin und eine Frau. Wenn ich diese beiden Teilaspekte nehme, dann haben die nicht immer das gleiche Bedürfnis.

 

A: Wir haben viele Rollen in unserem Leben.

 

D: Und das baut natürlich eine Spannung in uns auf. Welchen Teil befriedige ich jetzt? Welcher Aspekt darf gerade im Vordergrund sein und welcher muss jetzt mal warten?

 

A: Ist das auch, wie du mit deinen Klient:innen arbeitest? Also, wie arbeitest du mit deinen Klient:innen? Mit welchen Anliegen kommen sie zu dir? Was kannst du ihnen Gutes tun?

 

D: Also, die Klient:innen, die zu mir kommen, kommen meist als selbstbewusste Frau, also mit einer selbstbewussten Ausstrahlung, die ihre, wenn man genauer hinschaut, Verletzlichkeit verstecken. Inzwischen kann ich eine selbstbewusste Frau von einer selbst-bewussten Frau unterscheiden. Das ist mir früher nicht gelungen. Da habe ich mich „blenden“ lassen und dachte häufig: „Mensch, die- oder derjenige ist selbstbewusst.“ Und da war aber dann auch so eine gewisse Härte mit bei. Heute, nach den ganzen Erfahrungen und auch meiner eigenen Selbsterfahrung ist es so, dass ich erkennen kann, dass diese Frauen ihre Verletzlichkeit verstecken und damit verstecken sie eben auch einen wesentlichen Aspekt von sich. Das kann ihre Weiblichkeit oder vielleicht das Innere Kind sein oder andere abgespaltene Facetten. Ich arbeite jetzt weniger mit diesen Innere Kritiker-Aspekten per se, auch wenn die eine wichtige Rolle spielen. Ich benenne Dinge, was ich wahrnehme und wenn das in den Klient:innen resoniert, dann können sie das erforschen. Ich arbeite erfahrensorientiert und erlebnisaktivierend.

 

A: Hmm, und das heißt?

3. Vom seelischen Leiden zun Integrieren des Schmerzes

D: Es geht um Kontakt in der Beziehung. Ich arbeite auch bindungsorientiert. Zu mir kommen Menschen, die auch länger mit mir zusammenarbeiten, weil wir erst mal eine Vertrauensbasis aufbauen. Und wenn die geschaffen ist, dann ist es möglich, neue Erfahrungen zu machen.

Die Probleme, die in ihrem Leben auftauchen, so wie sie Beziehungen leben zu sich selbst, zu anderen, egal in welchem Bereich -ob familiär, in der Arbeit, mit Freunden-, können sie praktisch in der Therapie erforschen und haben dann die Möglichkeit, im Kontakt mir neue Erfahrung zu machen.

 

Und da tauchen häufig frühe Bindungs- & Entwicklungsverletzungen auf. Ich muss gar nicht bis in die Kindheit zurück gehen. So, wie ich heute Beziehung gestalte, wird schon ganz viel deutlich. In unserer Entwicklung haben wir von etwas zu viel oder zu wenig bekommen, meistens ist es eine Mischung von beidem, und sind dann in unserer Entwicklung stecken geblieben, was sich dann über die Jahre einfach fortträgt. Wir wundern uns dann, warum wir das in den Beziehungen, die wir haben, nicht bekommen, was wir uns wünschen.

 

A: Oh ja, oh ja.

 

D: Das erfahrensorientiert, ist mir total wichtig, in der Beziehung eine neue Erfahrung machen zu können. Ich selbst bin auch mit einer gewissen „Mitgift“ ins Leben geschickt worden...

 

A: Ich nenne das gerne „die Hypothek.“ Auch das hatten wir schon rausgefunden, diese kleine Gemeinsamkeit.

 

D: Ja. Ich habe erst spät in meinem Leben erfahren dürfen, wirklich angenommen zu sein, egal, wieviel Angst, Wut, Widerstand usw. ich eigentlich dem Leben gegenüber habe. Und ich hatte das Glück, eine Therapeutin zu haben, die ganz standhaft und gelassen immer wieder zu meinem Herzen durchgedrungen ist.

Und das ist das, was ich auch weitergeben möchte. Das ist mir ein großes Anliegen, weil wenn wir das nicht hatten oder nur sehr wenig vielleicht und wir eine Referenz-Erfahrung machen dürfen, die spürbar ist...deshalb erfahrensorientiert und erlebnisaktivierend. Eine Referenz-Erfahrung, die nicht im Kopf gespeichert ist, sondern die im Körper gespeichert ist. Möglicherweise ein Gefühl, was ich einfach nicht benennen kann.

 

A: Ja, genau. Manchmal können wir einfach nicht den Finger drauf legen. Was empfinde ich denn? Was ist denn gerade mit mir los?

 

D: Und diese Referenz-Erfahrung, wirklich angenommen zu sein, so wie du bist, mit all den starken Seiten und eben auch mit den schwierigen Anteilen/Aspekten Die haben wir alle, die können wir nicht leugnen, die sind einfach da.

 

A: Die sind einfach da, die dürfen auch da sein. Ich glaube schon, dass das auch so ein bisschen in unserer Gesellschaft momentan einfach üblich ist, dass wir Gefühle nicht zulassen dürfen, dass wir uns nicht so mit unseren Gefühlen äußern dürfen, wie wir es gerne wollen würden.

Und ich finde, gerade Frauen erleben da oft ganz viel Widerstand von außen, wenn sie mal aus sich herausgehen, wenn sie mal wütend werden, dann heißt es gleich, die sind emotional. Wenn ein Mann wütend wird, dann heißt es, der hat Durchsetzungskraft. Da sind oft unterschiedliche Wertungen und Ansichten.

Wenn jemand wie ich jetzt, und ich kann es nur aus eigener Erfahrung sagen, wenn man gelernt hat, dass Gefühle nicht zulässig oder einfach abgesprochen werden, dann lernen wir, uns von unseren Gefühlen auch ein Stück weit abzuschneiden und wundern uns, wo unsere Beziehung zu uns selbst hin ist. So ist es mir gegangen, so empfinde ich das.

Und ich finde, dass eben deswegen auch schön, weil ich das auch lernen durfte, dass es auch anders geht, Frauen diesen Erfahrungsraum auch zu bieten. Hier ist ein geschützter Raum, hier kannst du jetzt mal wirklich alles rauslassen. Es darf alles sein, es wird nichts irgendwie bewertet. Und dann zu erleben, dass Frauen auch mal losheulen im Zweifel, dass sie mal wütend sind, dass sie mal alles rauslassen, was da innendrin so frisst. Und dass dann aber trotzdem ich oder jemand anderer -wie du- dann dasteht, es einfach mal aushält und gemeinsam schauen wir, wie wir das angehen können. Also, diesen Frauen-Raum auch einfach mal für die Emotionen zu schaffen, finde ich total spannend und schön.

 

D: Mir ist es ein großes Anliegen da Menschen, bei mir sind es auch überwiegend Frauen, begleiten zu dürfen. Und zu sehen, wie sie sich auch verändern, ist einfach total schön. Vielleicht nicht direkt nach meinem Kurs. Da auch, aber da sehe ich es meistens in den Gesichtern, wie die Gesichter ein bisschen schmelzen, das ist auch immer so ein bisschen wie nach einem Wellness-Wochenende. Manchmal nach Jahren, schreibt noch mal jemand oder man begegnet sich in unterschiedlichen Kontexten, und dann eben zu sehen, nicht nur durch meinen Kurs oder meine Begleitung, sondern durch viele andere Angebote...

 

A: Aber durch die Entwicklung, die da angestupst ist...

 

D: Genau, das ist total schön, zu beobachten. Und ich finde es auch schön, an mir selbst zu beobachten. Aus seelischem Leiden -und ich habe früher sehr stark emotional gelitten-, hin zu einem Integrieren des Schmerzes. Der Schmerz geht nicht weg, aber wenn der integriert ist, dann ist er befriedet und darf im Herzen Platz nehmen. Und ich muss meine Geschichte nicht verändern, weil ich sie auch gar nicht verändern kann. Außerdem war es scheinbar die innere Stimme und Weisheit, Therapeutin zu werden.

 

A: Ich glaube schon, dass das ein großes Geschenk ist, wenn man erkennen darf, dass die Geschichte, die man hat, so ist, wie sie ist, man sie einfach nicht verändern kann und dass einen selber aber auch keine Schuld trifft zu großen Teilen. Und auch da finde ich dieses Wort MitGefühl von dir einfach so passend. Es ist nicht Mitleid, mitleiden ist was anderes. Mitfühlen und dann zu sagen: „Okay, blöd, so wie es gelaufen ist, aber du kannst insofern nichts dafür und jetzt gucken wir einfach mal, wie wir das so sanft auf einen anderen Weg leiten können. Wie kannst du mit dir wieder besser mitfühlen? Und ja, wie kannst du dir das zunutze machen?“

 

D: Ja.

 

A: Ich finde schön, dass gerade aus dem, was viele Frauen gelernt haben, glaube ich, sehr destruktiv ist und trotzdem ist daraus auch vieles an Stärke gewachsen in der einen oder anderen Form. Und diese Stärken dann auch ins Positive zu verwandeln und zu nutzen, finde ich total spannend.

 

D: Ja.

4. Die ursprüngliche Weisheit ist Inuition

A: Liebe Daniela, ich würde ganz gerne noch, weil sie so spannend sind, mal auf deine Werte eingehen. Du schreibst auf deiner Website so ein bisschen über dich. (...)

Auf deiner Seite steht ein bisschen mehr über dich und deine Werte. Da ich selbst ein Werte-Mensch bin und sehr nach meinen Werten lebe, die auch nach außen kommuniziere, finde ich das spannend. Du hast auch Werte und unter anderem steht da "Intuition". Wie ist Intuition als Wert zu leben? Magst du ein bisschen drüber erzählen?

 

D: Ja. Also ich war ja nicht immer Therapeutin in meinem Leben. Ich war in meinem ersten Berufsleben Polizistin.

 

A: Oh, müssen wir jetzt alle still sitzen? Nein, du warst bestimmt eine sehr freundliche und nette Polizistin.

 

D: Also, bei Demonstrationen hat man sich wohl ganz gerne mit mir unterhalten. Oft habe ich danach gehört: „Mensch, ich bin erstaunt, dass man sich mit Polizisten so gut unterhalten kann.“

 

A: Polizisten sind auch Menschen.

 

D: Genau, ich war tatsächlich über 20 Jahre dabei. Die ersten zehn Jahre waren toll und ich hätte mir nichts anderes vorstellen können. Ich wollte das!

Und dann fing es irgendwie an, wo ich Dinge in Frage gestellt habe. Ich hatte früher nicht so einen guten Kontakt zu mir und meinem Körper, weil ich nämlich meine Verletzlichkeit versteckt habe. Ganz versteckt, sagen manche, habe ich sie nicht, aber ich habe sie schon versteckt.

Mit zunehmender Karriere in der Behörde ist eine Leere in mir entstanden. Damit wusste ich überhaupt nichts anzufangen, hätte das damals auch nicht als Leere bezeichnen können. Ich wusste nur, es geht mir nicht gut. Dann bin ich intuitiv den Jakobsweg gelaufen, der mir unfassbar gut getan hat, weil ich dort keine Rolle hatte. Ich dürfte mal nur ich sein.

 

Ich war nicht Tochter, Schwester, Kollegin, Freundin oder Partnerin. Nur ich. Dort bin ich mit sehr vielen Menschen aus der Welt in Kontakt gekommen und habe ganz intuitiv einfach das gemacht, wonach mir war. Wenn mir der Kontakt gefallen hat oder ich den Menschen inspirierend fand und das Geh-Tempo ein ähnliches war, hat man dann abends noch zusammen im nächsten Dorf gegessen und ist vielleicht sogar am nächsten Tag noch mal ein Stück miteinander gewandert. Und das hat mir unheimlich gut getan.

 

Zwei Jahre später habe ich ein Selbsterfahrungs-seminar gemacht, wo ich mich mir noch mal tiefer zuwenden konnte. Das Wandern am Jakobsweg ist schon auch ein Stück nach innen gehen, aber man kann sich dort auch sehr ablenken, wenn man möchte. Das Seminar war scheinbar so etwas, wo ich wie „angetaut“ wurde. Dieses 7-tägigen intensive Selbsterfahrungsseminar hat mein Herz wirklich berührt und geöffnet, so dass ich direkt im Anschluss diese Ausbildung machen wollte, die man braucht, um solche Seminare anzuleiten.

 

In dieser Ausbildung wurde mir die Diskrepanz immer deutlicher, zwischen meinem Polizeiberuf und "jetzt wende ich mich mehr mir selbst und meinen Gefühlen zu". Was will ich wirklich? Was sind meine Bedürfnisse?

Das führte dazu, dass ich den Beruf nicht mehr ausüben konnte, weil ich im Gegenüber auf der Straße plötzlich viel mehr spüren konnte, insbesondere Aggressionen. Wenn ich gemerkt habe, jemand ist innerlich höchst aggressiv, habe ich angefangen zu zittern und war überhaupt nicht mehr in der Lage, den Dienst zu versehen. Und dann spürte ich, dass ich das nicht mehr will und den Weg in Richtung Gestalttherapie weitergehen will. In der Heldenreise gibt es gestalttherapeutische Elemente, die praktisch Seminar-Bestandteil sind. Mich hat es einfach zutiefst angesprochen, dass ich dann irgendwann eine Entscheidung treffen musste und mich zur Gestalttherapeutin ausbilden ließ.

 

Nun wieder den Bogen zu deiner Frage: Warum die Intuition so ein wichtiger Wert für mich ist? Weil ich in einer Mittagspause in dieser Ausbildung ein Stück in die Natur gegangen bin, mich hingesetzt habe und mir die Frage stellte: „Möchte ich bei der Polizei aufhören?“ Hätte ich mir früher niemals vorstellen können...

 

A: Willkommen im Club!

 

D:  Und mein Bauch hat mir gesagt, ja, du musst da raus und in dem Moment wurde mein Bauch und Körper warm, weich, weit und innerlich hab ich mich ganz friedlich gefühlt. Das war so ein intensiver bewusster Moment, wo mir klar wurde -auch wenn ich zuvor schon etwas intuitiv lebte-, dass das ein ganz, ganz wichtiger Teil in mir ist und wir alle diese innere weise Stimme in uns tragen, unsere Intuition...

 

A: Ich habe bei deiner Schilderung jetzt richtig Gänsehaut gekriegt. Ich war da jetzt so nah dabei, ich hab noch total Gänsehaut. Das ist so schön!

5. Auf den Spuren der Intuition: Der leisen inneren Stimme lauschen

D: Wir alle haben eine Intuition und ich habe das Gefühl, dass sie uns abtrainiert wurde in jüngeren Jahren, dass sie sozusagen mit unserer Lebendigkeit vielleicht auch ein Stück flöten gegangen ist.

Ich beobachte auch zunehmend bei Menschen, z.B. werdenden Eltern, wie sie sich dann irre viel belesen im Internet und Kurse machen usw., weil sie das Bestmögliche für ihr Kind wollen. Und oft spüre ich gar nicht, wie würden sie intuitiv mit dem Kind umgehen? Also, was wäre, wenn es jetzt schreit? Und wenn man sich selber fragt, was bräuchte ich jetzt, wenn ich so ein kleines, hilfloses Wesen wäre. Sie können es in meinen Augen eigentlich oft von allein beantworten. Auch bei deinem Thema mit dem Essen empfinde ich das so.

 

A: Ja, das ist auch ein Thema bei mir. Deswegen wertschätze ich die Intuition natürlich total, weil ich sie für ein Gegenmittel von Manipulation halte. Gerade in der Ernährung, wenn es vor allem ums Abnehmen geht, sind natürlich auch 1000 Sachen da draußen, die dir alle zuschreien, wie gut sie für dich sind und dass sie dir jetzt unbedingt helfen. Und wenn du das jetzt nicht probierst, dann hast du deine Chance verpasst. Dann bleibst du halt der schlechte Mensch, der du bis jetzt schon warst, weil du deine Chance nicht genutzt hast. Das finde ich so manipulativ und so unmöglich, da habe ich wirklich was dagegen und setze da wirklich die Intuition dagegen. Was brauche ich wirklich?

 

D: Ja.

 

A: Also, was fühle ich eigentlich? Das ist eine Sache, die Frauen bei mir erst auch mal lernen dürfen, genauer hinzuschauen. Was ist jetzt eigentlich das Gefühl, das ich fühle? Wenn es Wut oder Ärger ist, z. B. auf Arbeitskollegen oder auf irgendeine Situation in der Arbeit oder auf ein Familienmitglied.

 

Welche Art von Ärger ist es denn? Was genau ärgert mich denn da? Und dann kommt so die Frage, muss ich das jetzt mit Essen kompensieren? Oder gibt es etwas anderes oder was genau triggert mich denn jetzt an dieser Werbung? Warum springe ich jetzt auf diese Werbung an, für irgendeine Sache, die angeblich so gut für mich ist? Was genau wird da in mir berührt? Und ich finde, die Intuition, die dann nach vorne treten darf, hilft dann sehr zu sagen: „Nee, ich brauch das alles im Außen nicht. Was ich brauche, ist schon alles in mir. Ich muss es nur hören wollen. Ich glaube, auf dieses tolle Thema muss ich jetzt mal gerade einen Schluck Kaffee trinken.

 

D: Auf jeden Fall sehe ich da eine Parallele zu deinem Thema mit dem Essen, also was nährt mich wirklich?

 

A: Was nährt mich wirklich, genau?

 

D: Und auch in den Beziehungen, die ich führe, zu mir und meinem Körper und zu anderen. Was sind nährende Beziehungen und wie führe ich eine nährende Beziehung zu mir und meinem Körper?

 

A: Da bin ich dann auch durchaus wieder bei meinem Thema Selbst-bewusst-sein, sehr bewusst mit Bindestrich geschrieben. Wenn ich das Wissen über mich habe, dann kann ich es mir auch genauer und zielgerichteter gut gehen lassen. Dann merke ich einfach auch schneller, ob mir dieser Mensch jetzt gut tut. Tut mir das gut, was jetzt gerade da in dieser Situation in meinem Leben ist und kann ich's ändern?

 

Manchmal können wir Menschen oder Sachen auch nicht aus unserem Leben werfen. Das geht manchmal nicht. Aber ich kann in vielen Bereichen schon entscheiden, möchte ich das in mein Leben lassen oder eben nicht? Und da sind Intuition und Selbstbewusstsein echt super Gegenmaßnahmen und Strategien. Ich mag das Wort Waffen nicht, sonst würde ich es verwenden, aber es sind wirklich starke Unterstützer, sich einfach bewusst zu machen, wer man ist, wie man tickt, was einem gut tut, was man möchte und was nicht. Manchmal ist es schon der erste Schritt, zu wissen, was möchte ich nicht? Dann kommt schon mal ganz, ganz viel Klarheit.

 

Liebe Daniela, ich glauben, wir könnten noch vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Wenn ich das richtig gesehen habe, hast du jetzt einen Termin, ein neues Gruppenangebot. Magst du dann noch mal ein bisschen was dazu erzählen? Ich meine, du hast irgendwie ein neues Angebot. Was ist das? Erzähl doch mal.

 

D: Ja, also ich komme ja selber ursprünglich eher aus Gruppen. Die Gestalttherapie-Ausbildung und die Ausbildung zur Heldenreise-Leiterin finden in Gruppen statt und zur Einzelbegleitung habe ich mir ein zusätzliches Gruppenangebot überlegt. Eine Gruppe bietet noch mal andere Möglichkeiten und sie findet in Präsenz in Berlin statt. Eine Gruppe repräsentiert viel mehr die Welt, als wenn die Klienten mit uns in der Einzelbegleitung allein sitzen. Dann repräsentiere wir die Welt und wir sind nicht der Nabel der Welt, auch wenn wir es manchmal gerne wären.

 

A: Ja, klar. Mensch, also gerade diese Themen mit dem Selbstvertrauen, mit der Intuition, auf den eigenen Körper hören; wissen, wie der eigene Körper tickt, Selbstbewusstsein, das sind echt so spannende Themen. Liebe Daniela, es war mir ein richtig großes Vergnügen, dich hier zu haben. Vielen lieben Dank für deinen Input!

 

D: Danke dir, Anja für dieses kurzweilige Interview!

 

A: Ich bin sicher, wir sind uns nicht das letzte Mal hier in so einer Situation begegnet, weil wir sehr viele Themen eben auch gemeinsam haben und es unterschiedliche Ansätze, an Themen ranzugehen, gibt. Liebe Daniela, vielen Dank für dein Hiersein. Vielen Dank, für deine Zeit. Danke, für deinen Input und habt es fein. Tschüss!


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